Ich kann ebenso nur aus meinen Erfahrungen als Künstlerin auf Mittelaltermärkten reden:
Ich fühle mich im Mittelalter und in dessen Handwerk aber auch im Überlebenskampf mit der Natur (schlaft mal bei 5 °C drei Nächte draußen und verbringt 4 Tage ohne Heizung und Feuer bei 10 °C 24h draußen) wieder wie ein Mensch, hierbei wird mir unsere Natur wieder gewahr, die doch in unserer Gegenwart ziemlich zum Schweigen kommt und durch unseren luxuriösen Lebensstandard verkümmert. Dabei fühle ich eine innere Zufriedenheit, denn ich bin mit der Natur, mit den Menschen, die ebenso künstlerisch oder handwerklich auf den Mittelaltermärkten tätig sind, sehr verbunden, und ich kann das Menschliche in mir ausschöpfen. Es macht mir Spaß, die handwerklichen Dinge einer Frau, wie in einem Kessel kochen, Wäsche mit der Hand zu waschne, stricken, nähen (leider kann ich nicht weben), tanzen etc. dort zu verrichten. Denn all das, was eigentlich unsere Fähigkeiten sind und ausmachen, heutzutage kaum noch Platz finden. Vieles macht halt die Massenindustrie. Was ist heute eigentlich noch der Mensch?
Im Mittelalter spüre ich das Leben und den Tod deutlicher, als es heute überhaupt der Fall sein kann. Und beides bringt mich dem Leben und mir selbst näher!
Aber auch die Kunst, die Mystik, die entstand (durch die Scholastiker ?), die Hinwendung zum Glauben und zur Geistlichkeit (Inquisition erst ab Spätmittelalter in unserem Lande!), die Sprache und Sprachkultur, die Ideale und Werte, die noch gepflegt wurden... all das übt auf mich eine Faszination aus und prägt mich bis heute. Was haben heute noch Ideale und Werte für einen Wert? (schönes Wortspiel zum Schluss, dass schon einiges aussagt)
Ich will behaupten, aber das ist wahrlich eine wage Vermutung aus meinem gegenwärtigen Zeitgeist, dass die Menschen im MIttelalter zwar Hunger und Krankheiten zu leiden hatten, aber im vollen und ganzen vielleicht ein Stück zufriedener waren, als wir es heute sind. Denn- wie Teutates es unter dem Thread "Was haltet ihr vom Heidentum" schon schrieb- macht es den Menschen zufrieden, mit der Umgebung, der Natur eins zu sein. Sie waren damals noch nicht so losgelöst von allem, wie wir es heute durch Chemie, Massenfabriken und künstliches Licht sind.
Dennoch muss ich auch gestehen, dass ich nach einem Mittelaltermarkt sehr froh bin, wieder ein gutes Klo und eine Dusche bei mir zu Hause vorzufinden.
Ansonsten fasziniert mich die Architektur des MIttelalters sehr. Wir sind heute kaum bis gar nicht mehr in der Lage, diese handwerkliche Kunst von profanen Wehrbauten wie Burgen, oder sakralen Bauten, wie die romanischen oder reich verzierten gotischen Kathedralen (vorzugsweise Frankreich) aufzugreifen und nachzuahmen. Welch Leistung und architektonisches Können dahinter steckt, ist einfach grandios.
Zudem haben wir auch viele Kräuter- und Heilmittel dem Mittelalter zu verdanken (siehe Hildegard von Bingen).
Das MA hat also durchaus trotz Romantisierung seine schönen Seiten.