Zwei der besten Buchverfilmungen, die ich bisher gesehen habe, sind die Filme "Affinity" (Verfilmung von "Selinas Geister") und "Fingersmith" ("Solange du lügst" - beide Bücher von Sarah Waters). Beide Bücher sind wunderbar erzählt und fangen unglaublich gut verschiedene, subtile Stimmungen ein. Der Stil ist meist eher ruhig, trotzdem spannend, die Charaktere sind überzeugend und beide Geschichten warten mit unerwarteten Wendungen und Überraschungen auf, auf die wahrscheinlich auch der paranoideste Leser nicht kommen würde.
"Selinas Geister"/Affinity" spielt im viktorianischen London (ist aber KEINER dieser fürchterlichen, historischen Weiberromane!) und erzählt die Geschichte zweier Frauen - eine Adlige, die in ihrem goldenen Käfig dahinvegetiert und durch gesellschaftliche Zwänge in Verzweiflung getrieben wird. Die andere (Selina) ein ehemaliges spiritistisches Medium, das unschuldig in Haft kam. (oder nicht? Die Frage bleibt offen...)
Beide Frauen begegnen sich und entdecken eine ungewöhnliche Seelenverwandtschaft. Selinas Flucht mithilfe der "Geister" wird geplant. Alles läuft reibungslos - und das Ende ist ganz, ganz anders als erwartet.
"Solange du lügst"/"Fingersmith" erzählt ebenfalls die Geschichte zweier Frauen vor historischem Hintergrund. Auch hierbei handelt es sich eher um einen Krimi, wenn auch keinen, der Arthur Conan Doyle gefallen würde (es sei denn, man wirft ihn mit dessen Short Stories in einen Topf!).
Hier ist Susan Smith ein gewöhnliches Mädchen, das in der Armut Londons unter Dieben und Mördern aufwächst. Ein bekannter Gauner überredet sie zu einem gewagten Schurkenstück:Er schleust Susan als Zofe in den Haushalt Mauds, einer jungen, unbedarften Adligen, die er später "verführen, heimlich heiraten, ficken und ins Irrenhaus abschieben" will - um sich mit Susan und Mauds Vermögen aus dem Staub zu machen.
Susan entwickelt jedoch Mitleid mit dem Opfer; auch Maud fühlt sich Susan verbunden. Trotzdem findet die Entführung statt und die Drei machen sich auf den Weg zur Irrenanstalt (damals, wie man weiß, schlimmes als jedes Gefängnis und im Grunde nur eine Müllkippe für Kranke).
Die Tore schließen sich jedoch nicht hinter Maud. Die Geschichte entwickelt eine verwirrende Sammlung von Fragen: Wer steckt mit wem unter einer Decke, wer wird von wem betrogen, wer kennt den ganzen Plan und wer wird, im Glauben eingeweiht zu sein, nur an der Nase herumgeführt? Geht es wirklich nur um das Geld? Und wer ist überhaupt wer?
Beide Geschichten werden inhaltlich und optisch sehr gut in den Filmen umgesetzt. Vor allem die Elemente der UNsicherheit des Zuschauers/Lesers und der Überraschung werden meisterhaft beibehalten. NEbencharaktere werden plötzlich Huptfiguren oder halten das entscheidende Szepter in der Hand. Es lohnt sich auf jeden Fall, sowohl die Bücher zu lesen, als auch die Filme zu sehen!
Sarah Waters ist promovierte Historikerin - somit sind die Millieudarstellungen in ihren Büchern auch fundiert und nicht zur "Ausschmückung" gedacht (wie man das von "historischen Romanen" mitunter kennt...). In ihren Geschichten zeigt sie auch die Seite der Geschichte, die man ansonsten kaum kennt - der Gefangenen, der gesellschaftlichen Außenseiter, der Diebe. Sehr faszinierend!