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Montag, 26. September 2011, 15:59

Heinz Schlaffer - Die kurze Geschichte der deutschen Literatur

Die Geschichte der Literatur in Deutschland füllt selbst als Sekundärliteratur ganze Bücherwände. Aber es geht auch handlicher – auf nur 160 Seiten. Heinz Schlaffer zeigt kurz und präzise, warum die deutsche Literatur so war, wie sie war, und wieso sie zu dem wurde, was sie ist.

Weniger Geschichte - mehr Zeit für Literatur

Schlaffers grundsätzliche Haltung zum Thema Literaturwissenschaft ist radikal, aber aufschlussreich. Je weniger man über Literatur redet, desto mehr Zeit bleibt dafür, sie zu konsumieren. Freunde hat er sich dadurch, in manchen Fachkreisen, nicht gemacht - denn das kann leicht als Kritik an der Literaturwissenschaft selbst missverstanden werden.
Schaut man sich aber das Büchlein genauer an, wird schnell klar, dass es als solche nicht gemeint ist. Im Gegenteil. Schlaffer ist in der Literaturwissenschaft verortet, und er kann auf sie in seinen Ausführungen auch gar nicht verzichten.
Dennoch gelingt es ihm, die geisteswissenschaftlichen Hintergründe ganzer literarischer Strömungen in nur einem Abschnitt auf den Punkt zu bringen. Autoren und Werke liegen ihm nicht so sehr am Herzen, wie der systematische Überblick, und das grundlegende Verständnis dafür, was essentiell wichtig und vor allem charakteristisch für einzelne Epochen ist.
Er beschäftigt sich auch mit der Frage, die vielfach in wissenschaftlichen Abhandlungen zu kurz kommt: Wieso schreibt ein Autor? Welchen inneren Druck verspürt er, als Mensch seiner Zeit, um Schreiben zu müssen?

Alles vor Lessing ist unwichtig

So sind Schlaffers Thesen radikal - deutsche Literatur vor Lessing ist nicht relevant. Das hat nichts mit ihrer Qualität zu tun, sondern damit, dass Lessing der “Stifter der neueren deutschen Originalliteratur“ ist - weder Gryphius noch Eschenbach haben vorher eine vergleichbare Tradition begründet.

1950 – der Tod der deutschen Literatur

Genauso provokant, wie auch polemisch überspitzt, ist Schlaffers These, dass die Literatur seit kurz nach dem Krieg, genauer ab 1950, tot ist. Bestätigen kann man das ganz einfach, meint Schlaffer. Man solle nur die Vorkriegsliteratur mit der Nachkriegsliteratur vergleichen, also Thomas Mann und Franz Kafka mit Heinrich Böll und Günter Grass. Dann sollte einem schnell klar werden, worum es Schlaffer geht: Der Krieg ist eine Zäsur - ein Schock - der ein Schreiben lange Zeit beinahe unmöglich machte, sagt er.
Er strebt jedoch bei allem keine Vollständigkeit an, er möchte verstehen, und er möchte auch, dass der Leser verstehen kann.

Literaturgeschichte im Schnelldurchgang – plausibel und folgerichtig

Schlaffer ist mit dem vorliegenden Buch ein großes Wagnis eingegangen, eines, das sich aber gelohnt hat. Seine Thesen sind plausibel und kaum angreifbar, er beschäftigt sich mit dem Menschlichen, woraus Literatur immer besteht und bestehen muss. Und ihm gelingt es dabei die spezifische Eigenart der deutschen Literatur - und ihrer "Allzumenschlichen" Autoren - herauszustellen.

Ein Muss für Jene, die gerne nach einem "Wieso" fragen!

Kaufbar ist das Buch gebraucht ab 3,47 Euro bei Amazon.
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Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »sandria_girrith« (26. September 2011, 16:08)


2

Dienstag, 27. September 2011, 02:56

Die Literatur nach 1950 ist tot? Jo, klar. Dienen solche Thesen der Umsatzsteigerung?

3

Dienstag, 27. September 2011, 09:21

Wenn man die Beispiele einsetzt, die der Autor verwendet, klingt das sogar stimmig. Wenn man aber bspw. Rilke als beispielhaften "Vorkriegsliterat" ansieht, kommt man zu dem Schluss, dass der Krieg ganz nützlich war. ^^
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"Demokratie ist die schlechteste Regierungsform - außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
Winston Churchill

"Das beste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit dem durchschnittlichen Wähler."
Winston Churchill

4

Dienstag, 27. September 2011, 12:08

Nein, Schlaffer geht es nicht um Umsatz. Hat der nicht nötig, denke ich. Das Büchlein ist ja nun auch nicht mehr ganz frisch.
Und ja, natürlich, ist die deutsche Literatur tot. Weil sie entweder viel zu sehr in der eigenen Befindlichkeit verharrt, oder versucht, andere Literaturen nachzuahmen. Der Generation, die vom Krieg direkt betroffen war, fiel es danach sehr schwer, eine literarische Aufarbeitung des Krieges anzustoßen. Das haben ausländische Literaten übernommen, wie z.B. Imre Kertész.
Der erste Deutsche, der in seinem Werk über den Krieg und die Zeit davor sprach, war Franz Fühmann. Mit seinem Ungarnreisetagebuch "22 Tage oder die Hälfte des Lebens" - das war erst 1973. Und das löste eine handfeste Diksussion aus und machte ihn bei vielen Kollegen sehr unbeliebt.

Davon abgesehen ist das, was Schlaffer da sagt, auch eine schon lange gefasste Überzeug der meisten Literaturwissenschaftler. Besonders auch der Komparatisten. Das soll aber nicht heißen, dass das für einen selbst und für die eigene Wahrnehmung wahr sein muss. Ich, für meinen Teil, würde mich dem dennoch anschließen.
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Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »sandria_girrith« (27. September 2011, 12:11)


5

Dienstag, 27. September 2011, 13:23

Ich halte es heute nicht mehr fuer zeitgemäss, *alles* auf den Krieg zu beziehen. Ja, natuerlich war er ein massiver Einschnitt, und wird auch heute noch thematisiert. Dennoch gibt es in den Nachfolgegenerationen völlig andere Themen, einen anderen Umgang mit vielen Dingen, anderes Denken, Neuerungen, bei dem der Krieg nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. 1973 ist ja nun auch schon wieder eine Weile her, seitdem hat sich erneut eine Menge getan. Zu sagen, die deutsche Literatur sei tot halte ich fuer etwas polemisch, reisserisch, zu pessimistisch - und vorallem: was bringt diese Schlussfolgerung, was fängt man mit ihr an?
Mir geht es nicht darum, die deutsche Literatur in den Himmel zu loben oder eine generelle Qualitätsdiskussion loszutreten, ich mag einfach solche generellen, wenig differenzierten Thesen nicht.
Viele Literaturwissenschaftler sind nach wie vor graue Herrschaften, die sich mit moderner deutscher Literatur nach 1950 selten beschäftigen. Dass die immer wieder zu einer solchen These kommen, ist kein Wunder ;) Aber wahrscheinlich braucht es wie immer noch einige Jahre, um die einigermassen bedeutungsvollen Autoren/Romane, Tendenzen etc aus der Masse herauszufiltern *schulterzuck*

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »buschi« (27. September 2011, 14:09)


6

Dienstag, 27. September 2011, 14:58

Sehe ich prinzipiell genauso. Mich nervt das auch, dass heute immer noch, wie du schreibst, 'alles auf den Krieg' bezogen wird. Schließlich sind wir ne ganz andere Generation. Nur hab ich schon gehört, dass man in manchen Ländern als Deutscher immer noch komisch angeschaut wird, und es Fragen mit genau dieser 'Kriegsthematik' gibt. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist, da ich nicht gerade viel ins Ausland reise, aber ich hab das nun schon mehrfach gehört.

Diese Schlussfolgerung bringt eigentlich gar nichts und irgendetwas damit anfangen kann man eigentlich auch nicht. Außer, wenn man Autor ist, sich hinzusetzen und einen großartigen Roman zu schreiben, der in Hundert Jahren noch besprochen wird, um damit das Gegenteil der These zu beweisen. Wenn ich mich nun aber so in der deutschen Literatur der letzten 20 Jahre umschaue, weiß ich nicht, welche Autoren so zeitlose Themen haben, dass sie eine ähnliche Größe und Wirkung wie ein Franz Kafka oder ein Thomas Mann erreichen. Mir fallen da spontan eher ausländische Literaten ein, die das Zeug dazu haben. (Ich mein bei allem natürlich nicht den trivialen Sektor.)
Sicher ist das auch nicht besonders differenziert. Naja, ich denke diesen grauen Eminenzen geht es hauptsächlich um die Themen, und, dass die deutschen in einer Subjektivität kleben bleiben, die es nicht oder nur kaum schafft, größere Themen einzubeziehen. Das ist nicht meine Meinung, aber vielleicht wird dadurch klarer, was der Schlaffer da bemängelt. Es sind ja auch keine Themen da, keine großen Konflikte, wir werden nicht unterdrückt, uns geht es nicht ans Leben, wir haben keine existenziellen Nöte, aus denen heraus große Literatur entstehen kann. Beispiel: Juli Zeh, die sich mit ausländischen Konflikten beschäfftigt, und dadurch eine der wenigen aktuellen Autoren ist, die ihre Thematik nicht nur im Subjektiven findet.
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7

Mittwoch, 28. September 2011, 01:47

Naja, "komisch" angeschaut werden.. Natuerlich wird Deutschland nach wie vor mit dem 2. Weltkrieg in Verbindung gebracht, zu Recht, denn so lange ist es nun auch nicht her. Dass nun abr die Deutschen im Ausland deswegen abgelehnt werden, ist nicht meine Erfahrung. Fest steht doch jedenfalls, dass es innerhalb Deutschlands inzwischen *auch* andere Themen gibt. Auch wenn die (literarische) Kriegsaufarbeitung meiner Meinung nach immernoch nicht wirklich abgeschlossen ist (und die Frage ist, ob das je der Fall sein wird), kann man einfach nicht mehr alles darauf beziehen, so wie es vllt der Herr Schlaffer sieht (ohne was von ihm gelesen zu haben).
Wenn ein Autor sich hinsetzt, um einen grossartigen Roman zu schreiben, den man noch in 100 Jahren lesen wird, wird er wahrscheinlich scheitern :D Die generelle Themenwahl halte ich gar nicht fuer so herausragend wichtig. Jede Zeit hat doch ihre Probleme, die - in der einen oder anderen Form - doch immer aktuell oder zumindest uebertragbar sind. Was ist zum Beispiel mit der literarischen Aufarbeitung der DDR-Zeit, also u.a. von Themen wie persönlicher Freiheit, Unterdrueckung, friedlicher Revolution? Ich halte diese Thematik durchaus fuer relativ existenziell (auch wenn natuerlich die ganz junge Generation schon wieder ein anderes Verhältnis dazu hat, als, sagen wir, unsere Elterngeneration). Ein Problem fuer die nächsten Jahr(zehnt)e wird die Frage des Ueberwachungsstaats sein, ein zeitloses Thema, wenn man es wiederum auf Freiheit, Kontrolle etc ueberträgt. Und dazu gibt es bereits Romane, wenn ich mich recht entsinne sogar von der von dir erwähnten Juli Zeh, aber zB auch von Ulrich Peltzer. Themen wie Migration, Integration etc sind ebenfalls Themen unserer Zeit, die genug Stoff bieten duerften. Ich denke also nicht, dass die Themen ein grosses Problem sind.
Vielleicht kann man auch Herta Mueller noch erwähnen, die ja immerhin den Literaturnobelpreis hat und allein dadurch wahrscheinlich im Gedächtnis bleibt? Ich hab allerdings nichts von ihr gelesen.
Ich weiss nicht, ob es aufgrund der Masse, die an Literatur entsteht, schwieriger geworden ist, die 'zeitlosen', 'grossen' Sachen herauszufiltern. Vielleicht braucht es einfach den von mir erwähnten zeitlichen Abstand. Ich finde es einfach nur wichtig, nicht alles zu verteufeln und abzuwerten, nur weil man etwas vllt noch nicht erkennt.

8

Mittwoch, 28. September 2011, 22:41

So, jetzt habe ich den ganzen Tag überlegt, was ich darauf eigentlich noch erwidern könnte.

Die Alten sind eben in ihrem Thema verwurzelt, und wir, als die neue Generation, haben unsere Themen. Dass das kaum zueinander findet ist eigentlich klar. Was ich mir dabei wünschen würde: Semipermeabilität. Und nicht nur, dass wir, die Nachgeborenen, Verständnis haben müssen, für diese 'alte Kriegsleier'.
Ich habe in meinen Seminaren immer wieder gehört, dass das was Schlaffer da meint, wahr wäre. Aber ich denke, dem ist nicht so.

Das Hauptproblem der Jungen ist, und das nicht nur in der Literatur, der Wille zur Aufmüpfigkeit. Zur Revolte. Die Abgrenzung fehlt. Die von dir erwähnten Beispiele sind leider kaum mehr als ein Anfang. Solange diese Angepasstheit, diese Flucht ins Subjektive, diese entschuldigende Subjektivität stattfindet, wird es wirklich schwierig das Gute und Wichtige aus der breiten Masse, die sich aber Indivduum nennt, herauszufiltern. Die Themen sind da, du schreibst es. Ich seh's genau so.
Fehlen eigentlich nur noch mehr mutige Autoren. *suche*
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9

Freitag, 7. Oktober 2011, 17:42

Zu mutigen Autoren gehören auch mutige Verlage. Aber das fuehrt ja wieder zum nächsten Problem.

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