Ich muss mich korrigieren. Bundespräsident Wulff hatte zuerst am 24.08.2011 wärend der 4. Konferenz der Wirtschaftsnobelpreisträger in Lindau Kritik am Finanzsystem geäußert. Undzwar in einer Art und Weise, wie man sie eher von einem Occupy-Aktivisten erwarten würde:
"(...)Auf dem Deutschen Bankentag hatte ich den Finanzsektor bereits gewarnt. Wir haben weder die Ursachen der Krise beseitigt, noch können wir heute sagen: Gefahr erkannt - Gefahr gebannt.
Wir sehen tatsächlich weiter eine Entwicklung, die an ein Domino-Spiel erinnert: Erst haben einzelne Banken andere Banken gerettet, dann haben Staaten vor allem ihre Banken gerettet, jetzt rettet die Staatengemeinschaft einzelne Staaten. Da ist die Frage nicht unbillig: Wer rettet aber am Ende die Retter? Wann werden aufgelaufene Defizite auf wen verteilt beziehungsweise von wem getragen?(...)
Wichtig dabei ist, daß die Lasten fair verteilt werden. Ich verstehe, daß viele nicht nachvollziehen wollen, daß Bankmanager zum Teil exorbitant verdienen, daß aber zugleich Banken mit Milliarden gestützt werden. Und Trittbrettfahrer in der Finanzwelt spekulieren weiterhin darauf, von der Politik und damit letztlich von Steuerzahlern aufgefangen zu werden - weil sie zum Beispiel zu groß sind und zu relevant für den gesamten Wirtschaftskreislauf(...)
Statt klare Leitplanken zu setzen, lassen sich Regierungen immer mehr von den globalen Finanzmärkten treiben.(...)
Immer öfter treffen die Politiker eilig weitreichende Entscheidungen kurz vor Börsenöffnung, anstatt den Gang der Dinge längerfristig zu bestimmen. Dies trifft Demokratien in ihrem Kern(...).
Zuerst: Politik muß ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Sie muß sich endlich davon lösen, hektisch auf jeden Kursrutsch an den Börsen zu reagieren.(...)
In freiheitlichen Demokratien müssen die Entscheidungen im Übrigen immer von den Parlamenten getroffen werden. Denn dort liegt die Legitimation. In der Demokratie geht die Macht vom Volke aus, durch in Wahlen und Abstimmungen gewählte Repräsentanten und Abgeordnete(...)
Ein Grundprinzip der Marktwirtschaft ist, daß Risiko und Haftung Hand in Hand gehen. Wer Risiken eingeht, kann auch scheitern. Dieses Prinzip muß auch für den Finanzsektor gelten, für kleine Anleger wie für große Institute.(...)
Am Ende kommt es darauf an, daß wir alle gemeinsam durchsetzen, daß der Finanzsektor wieder in seine dienende Rolle zurückfindet(...)
Interessant ist, dass dieses grundlegende Angehen des Finanzsektors in der Rede des Bundespräsidenten von den bedeutenden Medien weitestgehend verschwiegen wurde, bzw. sich gezielt ausschließlich auf Randbemerkungen wie die Krtik an der EZB und der Regierung konzentriert wurde.
So heißt es in der Tagesschau vom 24.08.2011 "(...) Ungewöhnlich deutlich kritsierte er heute die europäische Zentralbank.(...) Der Politik hielt er vor, Vertrauen zu verspielen."
Und der Spiegel lästert unter der Überschrift "Deutschlands oberster Populist" - "(...)nun kritisiert Bundespräsident Wulff barsch die Retter der Währungsunion. Es ist höchste Zeit, dass endlich wieder Euro-Experten die Debatte bestimmen."
oder "Schelte für das Staatsoberhaupt: Die CSU-Ehrenvorsitzenden Waigel und Stoiber ärgern sich über Bundespräsident Wulff. Dessen Mahnungen in der Euro-Krise seien peinlich, findet Stoiber. Waigel wünscht sich gar Horst Köhler zurück."
- Ohne ein Freund von Verschwörungstheorien zu sein, muss ich doch eingestehen, dass zumindest Indizien der Manipulation der öffentlichen Meinung vorliegen.
Auch diese plötzliche Konzentration auf Wulffs längst vergangene Kredite und Urlaubs-gelegenheiten seitens der Bild lässt sich hier in einem anderen Licht sehen, zumal unklar ist, was eigentlich Bild bewogen hat, den Pakt der beschönenden Berichterstattung plötzlich zu brechen?
Wenn man im Hinterkopf hat, dass die Aktien-Anteile am Axel-Springer-Medien Konzern in den Händen von mehrfachen Milliardären (nicht nur Friede Springer) liegen, sind dann solche im Internet kursierenden Theorien wie die Folgende wirklich so weit hergeholt?:
"Es geht gar nicht darum, ob Christian Wulff ein großartiger Bundespräsident ist oder ob er sich ungeschickt verhalten hat: Es geht darum, daß die internationalen Finanzkräfte Zweifel haben, ob er, angesichts der in seiner Lindauer Rede geäußerten Überzeugungen, seine Unterschrift unter den „dauerhaften Rettungsschirm ESM“ setzen wird."
Das Muster einer medialen Kampagne mit der Wirkung eines möglichen Amts-Verlustes, die auf eine Kritik eines Regierungsoberhaupts am Finanzsystem folgt, ist dabei nicht neu: Nachdem Bill Clinton am 14. September 1998 in einer Rede vor dem Council Of Foreign Relations ankündigt, dass er die Bankenstruktur überprüfen/reformieren wolle, begann am 7. Januar 1999 das Amtenthebungsverfahren in Zusammenhang mit der Lewinsky-Affaire (welche allerdings schon vor seiner Rede Thema in der Öffentlichkeit war).