ich habe zum thema einen alten text von mir beizusteuern, weiß aber nicht genau, ob er 100% passt.
entscheidet selbst.
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ich habe vor kurzem in den nachrichten einen bericht gesehen über einen sexualstraftäter, der, nachdem er aus einer 9 einhalbjährigen haftstrafe entlassen wurde, die er wegen eines sexualstrafdeliktes abbüßen musste, einen 9 jährigen jungen mißbraucht und getötet hat.
ich nehme stark an, dass im selben augenblick in millionen köpfen - neben meinem - die selben empfindungen wie wut, unverständnis und rachegefühle aufkamen.
unvermeidlich bilden sich wüste beschimpfungen für "das schwein".
Was wäre jedoch, wenn er nicht anders könnte?
wenn er sich nicht vornäme, "unrecht" zu tun - zu mindest aus _seinem_ verständnis für unrecht heraus?
wenn er also das was er tat nicht als unrecht empfindet?
"scheißegal! steinigt ihn!" geht mit sicherheit in sämtlichen köpfen vor.
an dieser stelle mache ich einen harten schnitt.
Ich erinnere mich an abermillionen talkshows, in denen schlanke menschen voller ekel und angewidertheit über "fette schweine" hergezogen sind, die da völlig maßlos sind und den ganzen tag nur "fressen", um die schlanken zu ärgern.
da ist von "beleidigungen für das auge" die rede.
ein mensch, der eigentlich ohne sein eigenes zutun - der, ohne sich dafür in irgend einer weise durch unglaubliche leistung hervorgetan hat, urteilt über jemand anderen, dass er nicht die "gleiche leistung" erbracht hat.
möglicherweise jemand, der nie diäten machen musste, weil er einfach so veranlagt ist, kaum anzusetzen, rühmt sich für seine "geschenkte" schlankheit, als hätte er etwas dafür getan.
er rechnet sich als besonders hohe leistung selber an, all den verlockungen widerstanden zu haben, bei denen die "schwachen" dicken versagt hätten.
wäre er ehrlich - vor allem zu sich selbst - würde er erkennen, dass "die verlockungen", deren er sich mit größter disziplin erwehren konnte, für ihn nie eine gefahr waren, weil sie für ihn nicht _so_ existieren.
kurzum: er weiß nicht, wovon er spricht.
offensichtlich ist es aber so, dass wenn nur genügend menschen eine "wahrheit" als solche annehmen, diese "wahr" wird.
keiner könnte genau erklären, warum dies die wahrheit ist, jedoch besteht aufgrund der übereinkunft mit "allen" keine notwendigkeit dazu.
schnitt.
es ist samstag morgen.
die armbanduhr zeigt 10:16 uhr.
die lieblingssendung würde um 11:00 Uhr beginnen, so hat man also genügend zeit, die morgentoilette hinter sich zu bringen und die kaffeemaschine anzuwerfen.
im badezimmer macht man das kleine radio an und vernimmt beiläufig, dass der sprecher die elf-uhr-nachrichten verließt.
kurzes stutzen.
man geht zum fernsehapparat und sieht, dass die lieblingssendung tatsächlich schon beginnt.
kurzes lauschen an der armbanduhr - scheint völlig normal zu laufen.
man hat noch einen aufziehbaren altmodischen wecker, der bestätigen wird, dass die armbanduhr irgendwie falsch geht.
10:21 Uhr - genau wie auf der armbanduhr angezeigt.
alle fernsehkanäle strahlen das angegebene elf-uhr-programm aus.
das telefon.
die vertrauenswürdige stimme eines alten freundes verrät einem, dass es tatsächlich kurz nach elf ist.
kurzes überlegen.
die nummer des freundes nocheinmal gewählt und nach der art seiner uhr gefragt.
"funkuhr -wieso?" .
zwei optionen: paranoia oder zwei uhren verstellen.
gute wahl.
kurz nach elf.
schnitt.
talkshow.
die minderheit wird nun solange mit der "selbstverständlichen" wahrheit so lange maltretiert, bis sie sie selber glaubt und in diesem speziellen fall alles daran setzt, die eigene 'unfähigkeit zur disziplin' anzugehen, um sich bald nicht mehr von denen, die recht haben, zu unterscheiden.
hierbei spielt es eigentlich keine rolle, welche der beiden interessengemeinschaften sich durchsetzt - im grunde hätten durch dummen zufall einfach die dicken in der mehrzahl sein können und sich ebenso "dürr sein" als "beleidung für das auge" durchsetzen können.
im publikum dieser talkshows säßen dann eben dicke und die dünnen würden sich schämen und "besserung geloben".
"ich habe in den letzten wochen 10 kilo zugenommen".
applaus.
schnitt.
die meisten von uns sind in einer demokratie aufgewachsen.
westeuropa.
von klein auf haben wir also gelernt, wie die welt funktioniert, was richtig ist und falsch.
der eine oder andere rühmt sich mit diesen wertevorstellungen, als hätte er persönlich dazu beigetragen.
in unmittelbarer umgebung finden sich menschen, mit eben den gleichen moralischen vorstellungen - dem umstand geschuldet, dass diese die gleiche erziehung genossen haben, wie man selbst.
unterhält man sich also mit ihnen über moralische grundsatzfragen, werden sich die allermeisten ansichten decken.kurzum kommt man zu dem schluß, dass sie "wahr" und damit andere "falsch" sind.
die nun allgemeingültige vorstellung von "wahrheit", die im grunde nur in den köpfen existiert, wird zu etwas, dass schon immer da war - wie ein naturgesetz.
"die wahrheit existierte schon vor dem menschen - ja unabhängig von ihm - er muß sie nur entdecken."
haben sie wir erst einmal entdeckt, müssen wir uns ihr unterwerfen, denn ein einzelner mensch muß sich irren, wenn seine wahrnehmung oder vorstellungen von ihr abweichen.
|<<| rewind.
jeder, der unrecht tut, muß dies in dem wissen tun, unrecht zu begehen und sich dadurch absichtlich der "wahrheit" entgegenstellen.
er macht sich damit eines verbrechens schuldig.
da die "wahrheit" eine macht ist, der sich alle beugen müssen, darf es keine ausnahmen geben.
weil die meisten menschen ein unrechtsgefühl bei "straftaten" haben, sind sie unrecht.
jeder weiß das.
oder nicht?
was würde passieren, wenn einer seine eigene welt hat, in der er lebt?
wenn in dieser welt andere maßstäbe von recht und unrecht, von wahrheit und lüge gelten würden?
ein mensch also, der im grunde genauso viel - oder wenig - zur bildung einer wahrheit beigetragen hätte.
_seine_ wahrheit als ebenso "immer schon dagewesene kraft, ja, als ein naturgesetz, dem man sich nur unterwerfen kann" empfindet?
im grunde könnte dies dem umstand geschuldet sein, dass er beispielsweise in nahost "gebildet" worden ist oder in der dritten welt.
ist seine "wahrheit" automatisch die falsche, weil es nur eine, nämlich "unsere" geben kann?
wobei "unsere" hierbei der falsche begriff ist, denn sie war ja schon vor den menschen da - oder nicht?
dieser mensch hat im grunde nichts anders gemacht als jeder von uns ... er ist der unvermeidlichen wahrheit gefolgt - nur eben einer anderen.
haben wir also etwas "besser" gemacht als er?
|<<| rewind.
was ist mit menschen, die in ihrem kopf gefangen sind und an der "gemeinschaftswahrheit" nicht teilhaben können oder mit denen, die wahnvorstellungen haben??
was ist, wenn diese die fehlende stelle im bild mit einer wahrheit auffüllen, die sie selber erschaffen?
wenn diese wahrheit so aussieht, dass es kein unrecht ist, einen jungen zu töten - ist es nicht normal, dass dieser mensch sich zu unrecht verurteilt fühlt?
führe einer von uns zu einem urvolk und würde unwissendlich eine gottheit beleidigen - daraufhin zum tode verurteilt werden, empfände er es nicht als unrecht ?
um nicht falsch verstanden zu werden: ich empfinde ebenso, dass die tat des kindermörders grausam und verachtenswert ist, aber kann man den menschen verachten?
kann er etwas dafür?
was haben wir "besseres" dazu beigetragen, eine andere wahrheit unser eigen zu nennen?
war das eine besondere leistung unser selbst und einfach nur beschissener zufall?