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Fegefeuer der Nichtigkeiten
Von David Kleingers
In der kreuzbraven Kinoversion des Comics "Hellblazer" geht Keanu Reeves als Dämonenjäger "Constantine" auf Exorzismus-Tour. Leider bietet der biedere - und raucherfeindliche - Erlösungsthriller kaum Anlass zur Lobpreisung.
as US-amerikanische Horrorkino weiß, was es am Katholizismus hat: Mystik und Riten der bildgewaltigen Weltreligion werden bevorzugt für spekulative Schauergeschichten ausgeschlachtet, und spätestens seit "Der Exorzist", "Das Omen" und "Amityville Horror" die siebziger Jahre heimsuchten, gehören römisch-katholische Geistliche zum Heldenpersonal Hollywoods. Diese Leinwandpopularität ist freilich keine Frage des Glaubens, sondern liegt allein im Schauwertcharakter und Bekanntheitsgrad von Roms Kirchenzeremoniell begründet. Auch die neueste Pop-Apokalypse "Constantine" plündert munter im christlichen Fundus aus Schrecken und Erlösung, und unter der Regie des Musik-Videoregisseurs Francis Lawrence präsentiert sich die Adaption der DC-Comicreihe "Hellblazer" wie eine von Hieronymus Bosch illustrierte Kinderbibel.
Keanu Reeves spielt jenen gestraften Titelhelden John Constantine, der nach seinem jugendlichen Selbstmord zunächst in der ewigen Verdammnis landete, um dann zur zweiten Glaubensprüfung auf die Erde zurückzukehren. Auf selbiger tummeln sich unbemerkt vom gemeinsterblichen Fußvolk übernatürliche Stellvertreter von Himmel und Hölle für ihren seit Jahrhunderten andauernden kalten Krieg um die Seelen der Ahnungslosen. Um Absolution zu erlangen, nutzt Constantine seine Fähigkeit, die wahre Identität dieser Sendboten in Menschengestalt zu erkennen. So durchstreift er ein tristes Los Angeles auf der Suche nach Dämonen, die er mittels seines umfangreichen Arsenals an lateinischen Beschwörungen und gesegneten Reliquien aus ihren menschlichen Wirtskörpern treibt.
Doch wie ihm Engel Gabriel (Tilda Swinton) prophezeit, macht die grimmige Türsteherarbeit nicht seine Todsünde wett. Und weil ein bösartiges Lungenkarzinom seine verbleibende Zeit begrenzt, droht Kettenraucher Constantine die Rückkehr in den Orkus. Da trifft der moribunde Renegat auf die Polizistin Angela (Rachel Weisz), welche den rätselhaften Suizid ihrer strenggläubigen Zwillingsschwester aufklären will. Gemeinsam kommen sie einem höllischen Masterplan auf die Spur, dessen Ziel selbstverständlich nichts Geringeres als der Weltuntergang ist. Selbst wenn er wie alle zynischen Endzeitheroen ein Faible für schwarze Designergarderobe hat, erscheint die Aussicht auf ewige Finsternis dem postmodernen Haudrauf-Prediger allzu düster, weshalb sich Constantine zum Ringkampf mit den Heerscharen des Leibhaftigen rüstet.
Fegefeuer der Nichtigkeiten
Nicht nur muss Keanu Reeves seinen Mantel aus "Matrix" auftragen, auch sonst riecht hier jedwede ästhetische und dramaturgische Entscheidung letztlich nach Second Hand. Nun ist Originalität keineswegs Bedingung für zwei schamlose Stunden Unterhaltung mit theologisch verbrämten Edeltrash, doch der dafür nötige Campfaktor geschweige denn Anflüge von Selbstironie gehen dem prätentiösen Passionsspiel vollends ab. Dabei sei dahingestellt, ob der Zorn Gottes schwerer wiegt als die blinde Gestaltungswut von zwei Dutzend Effektspezialisten, jedenfalls gleicht die Hölle in "Constantine" einem infernalischen Rummelplatz ohne echte Attraktionen. Der ambivalente Spaß an der Zerstörung gehört aber zum Blockbusterkino wie das Amen in die Kirche, was der inhaltlich verwandte, doch ungleich intelligentere "Hellboy" von Guillermo del Toro erst kürzlich eindrucksvoll demonstrierte.
Im Gegensatz zu del Toros sinnesfreudigen Teufelsjungen sind die Figuren in "Constantine" geprägt von einer grundsätzlichen Lustfeindlichkeit, gegen die der Vatikan wie ein verruchter Nachtclub wirkt. Wahrlich kein Wunder also, dass auch die Nikotinsucht des Helden in diesem biederen Kino-Katechismus keinesfalls für verantwortungslosen Genuss, sondern für Selbstkasteiung, Hoffnungslosigkeit und das Böse an sich steht. Wo Hellboy genüsslich an seiner Zigarre ziehen durfte, landet John Constantine ganz im Sinne der amerikanischen Körpermoral direkt auf der Krebsstation. Strafe muss schließlich sein.
Allein Tilda Swintons gelungene Kurzauftritte als devianter Engel lassen erahnen, wie viel unziemliches Vergnügen das Spiel mit Ikonen bereiten kann. Wobei Swinton auch das örtliche Telefonbuch vorlesen könnte, ohne dass dabei Langeweile aufkäme. Aber selbst eine begnadete Schauspielerin wie sie hat keine Chance, wenn die kreuzbrave Regie kein Interesse für Zweideutigkeiten aufbringt. Ebenso gleichgültig bleibt das Publikum, wenn sich Keanu Reeves ins Fegefeuer der Nichtigkeiten stürzt. Der martialische Messias lässt uns überkonfessionell kalt, nicht zuletzt weil sein Opfer umsonst ist: "Constantine" zeigt keine Welt, die der Rettung lohnt.
Constantine
USA 2005. Regie: Francis Lawrence. Buch: Kevin Brodbin, Frank Cappello. Darsteller: Keanu Reeves, Rachel Weisz, Tilda Swinton, Djimon Hounsou, Peter Storemare. Produktion: Warner Bros., The Donners' Company, Village Roadshow Pictures, 3 Art Entertainment, Batfilm Productions, Di Bonaventura Pictures, Weed Road Pictures. Verleih: Warner Bros.. Länge: 121 Minuten. Start: 17. Februar 2005