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Dienstag, 9. August 2005, 03:29

Nix für Lesefaule...

Berlin – Berlin: C’est la vie!

Ostbahnhof.
Ich sitze im Zug. Verärgert und zornig, wie oft in den letzten Tagen. Da sehe ich sie. Kurzgeschorene Haare. Oder gänzlich ohne. Vereiste Gesichter mit kaltem, starrem Blick. Starren sie mich an. In mich hinein, ganz tief. Ihre blauen und grünen Plusterjacken lassen sie mehr scheinen. Mehr als sie eigentlich sind. Und ich fürchte mich. Fürchte mich vor dem mir entgegengebrachtem Faschismus. Fürchte mich vor den Mäulern die aufgerissen: „Wir sind das Volk!“ fletschen.
Was habe ich nur verpasst? Seit wann ist es normal geworden, dass Meere aus Polizisten sich um Seen aus Nationalsozialisten ringen? Sie davor hindern müssen, den Reisenden direkt ins Gesicht zu brüllen? Es ist Demo. Demo in Berlin. Hier ist nichts normal.
Ich sitze im Zug hinter meiner Glasscheibe und wünschte, sie wäre nicht so durchsichtig. Sehen sie mich? Nehmen sie mich wahr? In meinen schwarzen Sachen, mit meinem blassen Gesicht sehe ich nicht verbündet aus. Und da stehen sie. An der geöffneten Zugtür und schreien. Schreien ihre bierfahnengetränkten Parolen in den Zug. Und die Menschen um mich herum sehen verängstigt zur Tür und ich höre mein Herz rasen, schlagen, pochen. Lauter, schneller und ich rieche Angst. Kommen sie rein? Schreien sie mir gleich direkt in die Augen. In meine Seele? Nein. Der Schaffner pfeift, die Türen schließen und wir sitzen wieder in Sicherheit. Sicher im fahrenden Käfig.
Der Zug fährt weiter in Richtung Alexanderplatz.
Berlins Innenstadt enthüllt das ganze Chaos: Menschenmassen drängen schreiend an Meeren von Polizisten vorbei. Wie Spielzeugbausteine stehen die weiß-grünen Wagen aneinandergereiht am Straßenrand. Zwei Araber sitzen mit weit geöffneten Mündern vor ihrer Scheibe. Ihre Augen pochen bei jedem Herzschlag. Als würden sie ihnen gleich in die Hände fallen. Und ich rieche ihre Angst. Und ich fühle ihr Entsetzen.
„Wie Krieg!“ sagt einer der beiden. Ich weiß nicht genau welcher. Ich habe meinen Blick schon wieder aus dem Fenster geworfen.
Alexanderplatz.
Mein Entsetzen ist Neugier gewichen. Ich merke es erst jetzt. Ich habe Beobachten gelernt. Ich will es Sehen. In mich aufsaugen und niederschreiben. Wir fahren in den Bahnhof ein. Schonmehr belustigt beschaue ich die Mauern von Menschen, die sich wackelig rechts und links aufbäumen. Umzäunt von Männern in dunkelgrünen Watteanzügen. Wie Marshmallowmännerketten stehen sie vor dem schreienden Volk. Was für ein vollkommenes Bild. Warum auch nicht? Es ist ja voll. Voll mit Menschen. Ich glaube nicht, dass da noch etwas hinein gepasst hätte! Am rechten Bahnsteig drängeln sich die Kahlgeschorenen. Die „Wir sind das Volk“ – Schreier. Sie drängeln sich weiter und weiter zu den Gleisen vor. Links stehen die Buntgescheckten, die weniger gut gekleideten „Nazis raus!“ – Vertreter.
Wortspiel.
Die Marshmallow – Polizisten sehen hier nicht mehr so arrogant gelassen wie am Ostbahnhof aus. Ihre Gesichter sind in Stressfalten verzerrt. Sie sind entnervt. Leblose Hüllen. Und über ihnen hängen grimassenschneidende Fratzen, die weiter die Nervenstränge aus ihren halbleeren Körpern ziehen. Beide Seiten tragen ihre alkoholgetränkten Parolen an unsere durchsichtigen Scheiben heran. Da machen sie keinen Unterschied. Eine Demo ohne Bier? Nein, dass würde doch der ganzen Sache den Spaß rauben! Es fehlt nur noch ein weiß gekleideter Verkäufer, der seinen Wagen gefüllt mit Bier vor sich herschiebt. So einen, wie man ihn aus schlechten, amerikanischen Provinzialfilmen kennt. Der könnte dann seine in Bier getränkten Hotdogs unter das Volk schmeißen. Denn sie haben ja nur eine Hand frei. Da muss man praktisch denken. Bier und Wurst in einem. In einem Gestank. Was für ein Schlaraffenland. Riens ne vas plus!
Die Türen schließen wieder. Das Schauspiel am Alex setzt sich in Bewegung und fährt vorbei. Ich überlege, wo ich am besten aussteigen werde. Keine Frage: Zoo! Das wird ein Schauspiel. Die restlichen Minuten verbringe ich amüsiert damit, die verschiedenen Masken des Entsetzens meiner Mitreisenden zu betrachten. Hier gibt es alles! Jedes Klischee wird bedient. Da gibt es zum Beispiel die, die auf den Boden starrend die Ruhe selbst spielen. Die Ignoranten, die denken, sie könnten alle Menschen herum mit ihrer Nicht-Beachtung täuschen. Aber ich rieche sie trotzdem. Ihre Angst. Ich sehe schon den Alp in ihren Nacken sitzen. Er zwinkert mir zu und versichert mir, dass sie heute Nacht nicht ignorieren werden. In ihren Träumen.
Dann gibt es da noch die Panischen. Die wie gehetzte Tiere verwirrt ihren Kopf von links nach rechts schmeißen und die Reizüberflutung nicht mehr verarbeiten können. Sie tun mir leid. Sie werden wohl bald an einem Herzinfarkt sterben.
Und dann gibt es noch die wenigen Amüsierten. Wie mich. Die aus ihrer Beobachtung schöpfen und in sich lächelnd das Schauspiel betrachten. Bis zum Schluss. Bis der Vorhang fällt. Doch noch ist er weit oben am Firmament und der Zoologische Garten tritt in Sichtweite. Und ich kann das Aufschäumen einer inneren Vorfreude nicht unterdrücken.
Bullen. Faschos. Zecken. Normalos. Es ist voll im Zoo. Sie sehen aus, wie eine aufgescheuchte Horde wilder Tiere. Aufgeteilt in Jäger und Gejagte. Ich bewege mich wie ein Geist durch die Menschenmassen. Denn ich will sie nicht verunsichern. Oder beeinflussen. Mit meinem Grinsen. Da gibt es wieder die alkoholisierten Brüllenden. Die, die hübsch bunt gemalte Plakate in den Händen halten und sie jedem ins Gesicht strecken, der sie nicht sehen will. Denn alle, die sie sehen wollen stehen ja neben ihnen und geifern mit. Dann sind da die altbekannten grünen marshmallowrisierten Wattemännchen. Die aufgescheucht umher rennen und aufpassen, dass keiner ihrer Mitbürger auf die Gleise fällt. Schließlich ist der zahlende Kunde König! Obwohl dann wohl wenigstens etwas mehr Platz zum beobachten wäre. Denn ich bin doch so klein und dieser große, plumpe Herr vor mir versperrt mir die Sicht. Er gehört wohl zu den Ignoranten. Denn sein Blick ist gefesselt auf sein neues, blinkendes Mobiltelefon. Vielleicht war es ja auch eine Botschaft von seiner Geliebten. Nicht von seiner Ehefrau. Oder haben sie schon mal erlebt dass eine Frau ihren Mann fesselt? Doch das ist eine andere Geschichte.
Da kommt er schon, mein Zug. Zu schade, denn jetzt muss ich den Zoo schon wieder verlassen. Doch eine Gruppe von circa 50 Buntgescheckten sichert meine Unterhaltung bis zum Hauptbahnhof. Ich freue mich, schubse eine alte Frau beiseite und sicher mir einen guten Platz im Zug. Einen Sitz von dem ich weiter beobachten kann.
Der Schaffner fackelt nicht lange und pfeift schon zur Weiterfahrt ab. Hat dieser Mensch denn keinen Humor? Oder kann er nicht sehen? Nun gut. Vielleicht geht der gute Herr nicht so oft in den Zoo wie ich und weiß das Schauspiel nicht zu schätzen.
Der Zug setzt sich in Bewegung und ich muss nicht lange warten, da kommt die vorm Schaffner flüchtende Truppe schon vorbei. Punks bezahlen doch auf Berliner Demos keine Fahrkarten! Das Geld reicht gerade mal für Bier und Wurst. Und Zigaretten will man ja in den Nichtraucherabteilen auch noch qualmen! Man muss doch um Gottes Willen das Image waren! Und überhaupt könnte Vater Staat ja ein bisschen mehr in die Sozialkasse fließen lassen! Sollen doch die dicken Politiker mal wirklich Diät machen und den finanziellen Gürtel enger schnallen. Dann können die armen Kinder der Deutschen Straße wenigstens anständiges Gras im Nichtraucherabteil rauchen! Und nicht dieses viel zu oft gestreckte, von dem sie noch mehr Pickel kriegen. Und da sitze ich also in meinem Zug und bestaune die Karawane. Da gibt es Punks mit bunten Haaren. Punks mit langen Haaren. Punks mit kurzen Haaren. Punks mit gar keinen Haaren. Punks mit und ohne Bierfahne. Punks mit Pickeln, Punks mit Narben. Nur ein Exemplar fehlt in der so bunt gemischten Karawane. Punks über 18!
Ja, mit einem Lächeln stelle ich fest, dass dieses Exemplar mal wieder kurz vorm Aussterben steht. Hier. In Berlin. Ab 18 werden sie dann wohl Metaller, Bios, Normalos oder ganz selten Grufties. Aber richtige Punks, die volljährig sind, habe ich nur ganz selten gesehen. So zieht die Karawane von über 50 Minderjährigen, Linksorientierten denn vorüber. Wir verlassen Berlin.
Die Hauptstadt im Land der Dichter, Denker und Depressiven.
Fahren weiter gen Sanssouci. Ohne Sorgen, dafür mit einem Grinsen.
Berlin-Berlin: C’est la vie!

2

Freitag, 19. August 2005, 09:17

Schön geschrieben, doch erkenne ich mein zu Hause kaum wieder... *g

3

Freitag, 19. August 2005, 09:29

naja, da sind ne menge phrasen drin, die schon ausgetretene wege betreten haben...
aber trotzdem danke.
nöja, war ja auch demo. ;)