Es war 1988, schwerer Motorradunfall (die meisten von Euch fuhren zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch Dreirad), musste ich mich 2 Operationen unterziehen.
Spritze in den Arsch, Flexüle in den Arm, Maske in`s Gesicht, fertig und aufwachen. Beim ersten Mal.
Die zweite OP war anders, da bin ich nämlich gestorben. Klinisch. Aber eben klinisch tot gewesen. (Wann lernt es der Rest der Welt: es ist "der Tod", aber man "ist tot", nicht tod oder todt oder hilsahdöagrmpf...)
Über eine Minute, nachweislich.
Seitdem habe ich nen Knall, aber, das ist ein anderes Thema.
Passiert ist folgendes:
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Es war ein Unfall, ungeahnt, ungewollt, schlimm genug, die Folgen nun zumindest halbwegs während einer mehrstündigen OP zu beseitigen.
Als der Arzt das Anästhetikum einflößte, die Maske das Gesicht verdeckte, die Angst, die Schmerzen, durch wohltuendes Streicheln der Narkose ausgemerzt werden sollte, da wurde alles anders:
Nein, ich habe mich NICHT vom Körper gelöst, da war kein Tunnel, kein Licht; nichts, einfach NICHTS von alledem: Es wurde dunkel, schwarz um mich herum:
Um mich, MICH: ICH! ICH selbst!
Ich war und blieb mir meines ICHs voll im Klaren, war mir meiner selbst bewusst, empfand, fühlte dies als ungewöhnlichen Moment.
Schwärze, tiefste Schwärze um mich selbst herum und mittendrin ich, allein - aber eben ICH…
Es war das erschreckende, plötzliche Gefühl, zu Hause zu sein…
So intensiv, dieser Zustand, das Erkennen, diesen ORT zu kennen, mich daran zu erinnern...
"Endlich, letztendlich bin ich wieder hier, endlich kann ich alles wieder sehen, wonach ich mich so lange sehnte…"
Ich sehe mich um, mir der Dunkelheit um mich herum völlig bewusst und doch kann ich sehen, in Farben, die ich nicht zu beschreiben vermag, Farben, die ich nicht benennen kann, all dies, trotz der blendenden Schwärze um mich herum…
Ich stehe auf einer Ebene, sie ist gewaltig, erstreckt sich bis zum Horizont, kein Laut dringt an mein Ohr, es ist schwarz, still, steril; aber ich sehe, denke, staune…
Die Ebene, ein Plateau wohl eher, einer perfekten Fläche gleich; worauf immer ich auch stehe; wird durchzogen von Gräben, nicht sehr tief, in gleichmäßigen Abständen, bis zum Horizont in weiter Ferne.
Ich stehe in einem solchen Graben, bemerke eine kristallartige, obsidianglasige, abgewinkelte, gleichmäßige, erhabene, künstlich wirkende Struktur zwischen den Gräben, welche ihnen folgt. Und, ich empfinde dies als normal, zu diesem Ort gehörend; erst jetzt, im Nachhinein, sinniere ich…
Meinen Blick erhebend, erlebe ich den wohl gewaltigsten, tiefgreifendsten, rührendsten, erschütternsden Augenblick meines bisherigen Lebens: über mir, im Zenit, dreht sich ein gewaltiges Objekt, einer Galaxie, einem Spiralnebel gleich, ein Malstrom aus purer Kraft, mit einem schwarzen Zentrum: golden, blau, und weiß schimmernd: majestätisch langsam, Erfurcht einflössend.
Mir rinnen die Tränen herab; ist es doch der Moment, auf den ich so lange, mein gesamtes bisheriges Leben, gewartet habe; diesen Ort, dieses Schauspiel wieder zu sehen. Ich WEISS, dass ich hierher gehöre, dass ich hier schon einmal war, dass dies ein Zuhause für mich ist. Und, endlich sehe ich die ANDEREN, die auf mich gewartet zu haben scheinen…
Es ist der Aufwachraum, sorgenvolle, doch freudige Gesichter, die mich nach der OP begrüßen: es gab Komplikationen, erfahre ich später, ich erahne bereits etwas von dem, was man mir später, als es mir besser ging, zu berichten wusste: Herzstillstand, Flatline, klinischer Tod.
Seit diesem Zeitpunkt habe ich Träume, nicht in der Art, wie ich vor diesem Ereignis zu träumen gewohnt war, und wie es natürlich auch weiterhin vorkommt:
Es sind vielmehr Bilder, Töne, Gerüche in einer solchen Intensität, Stimmen, die in und zu mir sprechen, kommentierend, erläuternd; Träume, die ich nicht sofort beim Erwachen vergesse, sondern, die mit ihrer gesamten Komplexität in meinem Gedächtnis haften bleiben, dass ich mich jedes mal darauf freue, einzuschlafen; diese Orte besuchen zu können.
Eine Tür hatte sich geöffnet, einen Spaltbreit nur und doch war es mir vergönnt, einen verborgenen Raum erblicken zu dürfen; kurz nur, zu kurz…
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Bloße Endorphine? Synaptische Agonie? Oder, doch mehr..?